Offener Brief von Künstlerinnen und Künstlern, 
die im Ohlsenhaus aufgetreten sind

Es kommt selten vor, dass man als Künstlerin oder Künstler auf dem Land in Schleswig-Holstein mehrmals an den gleichen Ort eingeladen wird. Die wenigsten Veranstaltungsorte oder -reihen halten sich lange genug, um solche zweiten oder auch dritten Einladungen auszusprechen. Sie lassen sich nicht finanzieren, gehen mit ihren Veranstaltern in den Ruhestand, finden nicht genug Publikum oder haben gar nicht erst die nötige Reichweite und Infrastruktur.

Das Ohlsenhaus in Stapel beherbergt und veranstaltet seit unglaublichen sechzehn Jahren Lesungen, Konzerte, Kulturevents; und als Autorin, Musiker, Kabarettist oder Performerin kommt man stets gerne ein zweites und drittes Mal wieder.

Und jetzt soll das Ohlsenhaus verkauft werden.

Bei den Veranstaltungen in der 300 Jahre alten Lohdiele mit ihrer einzigartigen Atmosphäre sind meist alle Plätze besetzt. Es gibt eine Dame, die in sechzehn Jahren nicht eine Lesung verpasst hat. Die Leute kommen weit aus dem Umkreis, die Zusammensetzung des Publikums ist je nach Veranstaltung dynamisch, Jung und Alt nehmen den Ort gleichermaßen an, und das schöne alte Gebäude trägt traditionelle Kulturveranstaltungen wie Rockkonzerte gleichermaßen mit Würde.

So ein Ort der Kultur ist schwer zu finden, unmöglich zu erfinden, so etwas wird ausprobiert und muss sich als funktionsfähig erweisen. Wenn er einmal etabliert ist, muss er gehegt und gepflegt werden, von engagierten Menschen, die sich ehrenamtlich und mit Herzblut dafür einsetzen. Denn geht der Ort verloren, verschwindet mit ihm alles andere. Die vergangenen Pandemie-Jahre haben leider bewiesen, dass Veranstaltungsorte, die eingehen, so gut wie nie wieder auferstehen.

Dass es in Schleswig-Holstein speziell in den Dörfern im Binnenland nicht gerade viele kulturelle Angebote gibt, weiß jede Künstlerin, jeder Künstler hier nur zu gut. Das Ohlsenhaus ist insofern auch in dieser Hinsicht etwas Besonderes, weil es immer wieder die Art von Veranstaltung beherbergt, die sonst nur in den Literaturhäusern der Großstädte stattfindet. Die Liste der überregional bekannten Personen, die einer Einladung nach Stapel gefolgt sind, ist lang. Das Ohlsenhaus bringt buchstäblich Kultur zu den Leuten.

Zu denken, dass es das Ohlsenhaus als Veranstaltungsort nicht mehr geben soll, ist sicherlich für die Bevölkerung in der weiten Region um Stapel schwer zu verdauen. Für uns als Kunst- und Kulturschaffende ist es regelrecht ein Trauerspiel.

Wir sprechen uns daher für den Erhalt des Ohlsenhauses als Kulturort aus und hoffen sehr, dass sich ein Weg findet, den Verkauf an private Besitzer und damit das Ende der Veranstaltungen zu verhindern.

Oktober 2022

Mareike Krügel
Jan Christophersen


Dieser Offene Brief wurde unterschrieben von:

Judith Arlt – Frenz Bertram – Susanne Bienwald – Dominik Bloh – Kirsten Boie – 
Simone Buchholz – Peter Butschkow – Jo Claussen-Seggelke – Sandra Dünschede – 
Boris Guckelsberger – Mona Harry – Uwe Herms – Björn Högsdal – Kalle Johannsen – 
Katja Just – Ernst Kahl – Manuel Knortz – Karen Köhler – Kari Köster-Lösche – Wiebke Kruse – 
Ulla Lachauer – Klemens Lendl – Inge Lorenzen – Oliver Lück – Jochen Missfeldt – 
David Müller – Eva Muggenthaler – Irmela Mukurarinda – Jakob Neubauer – Petra Oelker – Andrea Paluch – Thomas Reichardt – Klaus Richter – Rainer Rudloff – Selina Seemann – Dieter Staacken – Arno Surminski – Hans-Hermann Thielke – Marianne Vocke – 
Bärbel Wolfmeier